(* 7. Juli 1888 in Schönfeld bei Elbogen /Krásno nad Teplou † 27. Juni 1974 in Merkershausen)
Der Keramiker und Bildhauer Willy Russ wurde 1887 geboren. Dank seiner künstlerischen Begabung erhielt er ein staatliches Stipendium an der Kunstgewerbeschule, der späteren „Akademie für angewandte Kunst“, in Wien. Schon im Jahre 1910 bekam eine von ihm gestaltete 145 Quadratmeter große figurale Keramikfassade den ersten Preis der Stadt Wien. Damit wurde der junge Mann zu einem gefragten Künstler. Von 1938 bis 1943 schuf er für das geplante Volkskundemuseum in Eger seinen berühmten Kachelofen. Sein einzigartiges Kunstwerk ist eine liebevoll gestaltete Erinnerung an die deutsche Vergangenheit des Egerlandes – aber auch ein wehmütiger Abschiedsgruß, denn im Jahre 1946 musste er mit seiner Familie die geliebte Heimat für immer verlassen.
Der einzigartige Kachelofen des Bildhauers Willy Russ, mit seinen Darstellungen über die Zeit, als noch Deutsche im Egerland lebten, befindet sich seit 1982 in Eger (Cheb). 1938 wurde der Kachelofen für eine volkskundliche Ausstellung des Egerer Museums bei dem Bildhauer Willy Russ in Auftrag gegeben. Als das Kunstwerk 1943 fertiggestellt war, konnte es aber nicht gleich nach Eger ausgeliefert werden, da der Transport wegen des Zweiten Weltkriegs als zu gefährlich erschien. Stattdessen wurde der Kachelofen aus der Werkstatt in Schönfeld (Krásno nad Teplou) in die nahe gelegene Burg Elbogen (Loket) gebracht, um ihn hier vor den Bombardierungen zu schützen.
Nach dem Krieg baute man den Kachelofen im Elbogener Porzellanmuseum auf. Er ist ein außergewöhnliches Kunstwerk und auch ein geschichtliches Dokument über die deutsche Vergangenheit des Egerlandes. Deshalb bezeichneten ihn die kommunistischen Machthaber 1965 als "ideologisch unerträglich" - und man verbannte ihn in den Keller.
Das Egerer Museum (Chebské Muzeum) konnte ihn von dort im Jahre 1982 an seinen Bestimmungsort bringen und 1995 auf der Egerer Burg wieder aufgebaut.
Der berühmte Ofen mit seinen farbig glasierten Keramikkacheln ist 3m lang, 1,5m tief und 3m hoch und bis ins kleinste Detail ein liebevoll gestaltetes Kunstwerk. 76 Stadt- und Gemeindewappen des Egerlandes sind hier zu finden. An den vier abgeschrägten Ofenecken sind 12 Paare in den verschiedenen Trachten der Region gekleidet. Besonders beeindruckend sind die Darstellungen von Volksbräuchen, darunter die Hutzenstube, das Winteraustragen, das Osterreiten, der Maibaumtanz, der Erntewagen und die Kirchweih. Den Lebenslauf der Menschen zeigen ein Kammerwagen, der Hochzeitssegen der Eltern und eine Kindstaufe. Außerdem sind darauf 63 Egerländer Volkssprüche, wie z. B. „Kurn, Howan u Ha, gråun selt’n allå dra.“ (Korn, Hafer. und Heu, geraten selten alle drei.), „Ma mou af‘s best hoffn u af’s Schwiarsta g‘fåsst sa.“ (Man muss auf das Beste hoffen und auf das Schwerste gefasst sein.) Wo es Streit gibt, sollte man „Bessa schlicht’n wöi richt’n.“ (Lieber schlichten als richten.), denn „A gout’s Wurt findt an gout’n U(a)rt.“ (Ein gutes Wort findet einen guten Ort.) Ein Rat an die Jugend lautet: „Lern, leist u spår wos – sua bist, koanst u håust wos.“ (Lerne, leiste und spare etwas – so bist, kannst und hast du etwas.). Zum Fleiß ermahnt der Spruch: „Fröih bål af u åumbd’s spat nieda – esst nea g’schwind u årwat wieda.“ (Früh bald auf und abends spät nieder – esst nur schnell und arbeitet wieder).
Die Geschichte des Kachelofens ist genauso bewegt wie die Geschichte des Egerlandes, schreibt das Egerer Museum (Muzeum Cheb) auf seiner Website. Geschaffen hat den Kachelofen der Bildhauer und Keramiker Willy Ruß zwischen 1941-1944 im Auftrag des damaligen „Museums für Volkskunde“ in Eger. Die Ideengeber für den Ofen waren der Ethnograf, Philologe und Pädagoge Josef Hanika, ab 1942 Leiter des „Instituts für Volkskunde Böhmens“ und Heribert Sturm, damaliger Leiter des Museums in Eger. Sie waren es auch, die eben jene Motive auswählten, die Willy Ruß anschließend künstlerisch umsetzte. 1944 schloss Ruß die Arbeiten an dem Ofen ab, welcher aber aufgrund der Bombengefahr bis zum Ende des Krieges in seinem Atelier verblieb.
In den Jahren nach dem Krieg blieben Versuche des Egerer Museums, den Ofen öffentlich auszustellen zunächst erfolglos. Erst ab 1952 wurde der Ofen auf der Burg Elbogen (Loket) gezeigt, jedoch im Jahr 1972 wegen seiner „ideologischen Belastung“ wieder von dort entfernt. Daraufhin war der Ofen eigentlich zur „Verschrottung“ vorgesehen. Durch Zufälle blieb er jedoch erhalten und kam in den 1980er Jahren zurück nach Eger.
Im Februar 2020 beschloss man, den Ofen grundlegend zu restaurieren und man brachte ihn nach Prag ins Atelier der Künstlerin Sylva Antona Čekalová. Nach insgesamt dreijähriger Restaurierungszeit kann er nun seit November 2022 der Öffentlichkeit wieder präsentiert werden und ist Bestandteil der ethnographischen Abteilung im Museum von Eger.
Im Egerland (heute Chebsko), leben heute nur noch wenige Deutsche, die man nach dem Krieg nicht aus ihrer Heimat vertrieben hatte. Bald wird es hier die Egerländer Mundart nicht mehr geben. Dann werden nur noch die deutschen Nachbarn aus der Oberpfalz und aus Oberfranken die Inschriften auf dem Kachelofen lesen können.
Günther Wohlrab